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Bertillonage (Bertillon, Alphonse), 1890
 
 
 

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Das Archiv der Polizei – die Verbrecherkartei

Noch problematischer gestaltet sich das Archiv und die ihm eingeschriebene Herrschaftsordnung, wenn es nicht um Dinge, sondern um Menschen geht. Das 19. Jahrhundert versammelte im Zuge des Kolonialismus ein riesiges Bildreservoir mit Porträts der ›Anderen‹, die nicht unter den Begriff des weißen, westlichen, bürgerlichen Subjekts fallen. [28] Aber nicht nur fremde Ethnien wurden der archivischen Klassifizierung unterworfen, sondern auch die sozial Anderen. Die Bürokratien der Überwachung und Kontrolle entdeckten schon früh die Potenziale der fotografischen Aufzeichnung. Schon bald nach der Erfindung der Fotografie kam die Idee des Passbildes auf; verhaftete Personen wurden porträtiert und zur Identifizierung bei Wiederholungstaten in so genannten Verbrecheralben gesammelt. [29] In seinem grundlegenden und einflussreichen Aufsatz »Der Körper und das Archiv [The Body and the Archive]« vertritt Allan Sekula, Theoretiker und konzeptueller Fotokünstler, die These, dass die Institution des Fotoarchivs als solche eine ihrer frühesten

 

Ausformungen in der engen Verbindung von professionalisierter Polizeiarbeit und der im Entstehen begriffenen Sozialwissenschaft der Kriminologie gefunden hat. [30] Das mit der systematischen fotografischen Aufzeichnung von als kriminell eingestuften Personen einhergehende archivalische Versprechen, nämlich jedem Verbrecherkörper eine relative, quantifizierbare Position in einem größeren Ensemble zuweisen zu können, stand jedoch die schiere Menge der Bilder im Wege. Um dieses fundamentale Problem des Archivs unter Kontrolle zu bekommen, gab es – so Sekula – im 19. Jahrhundert zwei Strategien, die mit den Namen Alphonse Bertillon und Francis Galton verbunden sind. Alphonse Bertillon entwickelte nicht nur die seitdem geltenden Standards für polizeiliche Porträtfotografie, sondern auch ein komplexes, mit Karteikarten operierendes Klassifikationssystem, das es möglich machen sollte, einen bestimmten Einzelfall aus der riesigen Menge der im Archiv enthaltenen Bilder herauszusuchen. Der Anthropologe und Eugeniker Francis Galton dagegen verdichtete zahlreiche Fotografien durch Überblendung zu einem ›idealischen‹ Kompositbild, das

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