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Lettre de Sibérie (Marker, Chris), 1958
 
 
 

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klingenden Bestimmungen von Barthes und Marker betont hatten um die Befreiung der Bilderzählung, die nicht mehr zur Illustration oder zur Imagination einer allein sprachlichen Semantik dienen soll. Umgekehrt muss auch der Text nicht mehr die Wahrheit der Bilder offenbaren, sondern kann sich mit gleichsam ikonischer Unverbindlichkeit der Chronik der laufenden Ereignisse im universe of discourse widmen, so wie auch die optische Spurensicherung nur Bilder liefert, die eben nur das sein wollen, was sie sind, nämlich Bilder. Marker überlässt die pictura ihrer Dialektik der Verweisung auf andere abwesende Bilder, um durch die Schrift der Bilder eine neue Lesbarkeit der Dinge zu erschließen: eine analytische Lektüre des Visuellen, die zugleich seine Kehrseite oder Abgründe der Einbildung, des Gedächtnisse oder Wissens einschließt. Marker hat schon seit seinen frühen Filmarbeiten diese Dialektik des Bildes in der doppelten Darstellungsfunktion von Laut- und Leinwandbild entfaltet. Die Realisierung in »Lettre de sibérie« hat ihm das emphatische Lob André Bazins eingebracht, der von einer grundlegenden Erneuerung der Beziehung zwischen Wort und Bild als Dialektik und als

 

neuartige »horizontale« auf das Gesagte rekurrierende statt linear von Bild zu Bild ablaufende Montage im filmischen Essay sprach.[20] Bazin war auch der erste, der die Straßenszene in Irkutsk berühmt machen sollte, in der Marker auf die geniale Idee verfallen war, eine dreigliedrige Szenenabfolge eine Straße mit sich begegnendem Bus und Limousine, Bauarbeitern beim Glätten einer Fahrbahndecke, ein das Bild durchkreuzender Stadtbewohner dreimal mit einem jeweils unterschiedlichen Kommentar zuerst prokommunistisch propagandistisch, dann zynisch defätistisch und schließlich ernüchternd faktisch zu wiederholen (»Lettre de sibérie«) Bazin versucht gleichwohl, die Aussagekraft des Bildes doch wieder zugunsten einer Parteinahme für die Stimme zurückzustellen, indem er eine »Intelligenz« beschwört, deren »direkter Ausdruck« zudem »das Wort« sei, so dass der Zusammenhang der Bilder sich erst dieser »verbalen Intelligenz« verdanke wie einer Art hegelschem absoluten Geist, der in sich die dialektische Dreifaltigkeit der Bildaussage enthält. Was Marker damit aber überzeugend verdeutlicht hat, ist jenes Faktum, das in der deutschen ideologiekritischen

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